Was ich so an Prag mag? Die Offenheit gegenüber total Schrägem. Der Tscheche sagt: „to chceš„. Wörtlich übersetzt heißt das: „Das willste!“. Das beste Beispiel dafür ist der abgefahrene Künstler David Černý. Seine Kunst, die über die ganze Stadt verstreut zu sehen ist, ist absolut einfallsreich und provokant. Er ist einer der besten tschechischen Contemporary Art Künstler, der ständig aufs Neue versucht zu provozieren und die Grenzen des öffentlichen Ärgernisses auszutesten.
Das wohl bekannteste Kunstwerk Černýs ist die Entropa Skulptur in Brüssel, die europaweit einen kleinen Kunstskandal ausgelöst hat. An diesem Kunstwerk hatten angeblich 27 Künstler teilgenommen. Doch das Enfant terrible hat die restlichen Künstler und deren Biografien und Webseiten einfach erfunden. Alle EU-Länder bekamen ihr Fett weg und wurden auf provokante Weise dargestellt. Deutschland als Autobahn in Hakenkreuzform: ein echter Černý eben. So sind auch die Kunstwerke Černýs in Prag von Schwarzem Humor durchzogen (Černý tsch. Schwarz).
Den Tipp, die Kunstwerke Černýs mit dem Fahrrad abzufahren, bekam ich von meiner Freundin Gracie, die mir gestern den leckeren tschechischen marinierten Hermelin-Käse zubereitet hat und mir von Černýs Riesenbabys am „hässlichsten Gebäude der Welt“ vorgeschwärmt hat. Dort habe ich dann auch meine Tour gestartet.
Babys am Žižkov Fernsehturm
Zum „2nd ugliest building“ wurde der Zikov Tower wohl einmal gewählt. Černý wurde im Jahr 2000 gebeten eine Installation dort zu machen. Seither krabbeln 9 hässliche Babys den Turm hoch. Ob es den „Bohrer“, wie ihn hier einige nennen schöner macht? Wer die Babies in Originalgröße aus der Nähe betrachten will, sollte die Babys an der Moldau im Kampa Park besuchen.
Pferd in der Lucerna Passage
Wer kennt sie nicht, die Statue vom Hl. Wenzel (St. Wenceslas) auf dem Pferd am gleichnamigen Platz in der Prager Innenstadt? Gleich nebenan, in der Lucerna Passage gibt es diese Statue noch einmal. Doch diesmal ist das Pferd tot. Was das Künstlergenie genau damit ausdrücken will, ist wohl unklar. Vermeintlich handelt es sich um eine Kritik am Altpräsidenten Klaus. Wer das älteste Kino in Böhmen und eines der schönsten Jugendstil-Kinos der Welt besuchen will, ist hier genau richtig. Kinofilme in Originalfassung mit tschechischen Untertiteln.
www.kinolucerna.cz/
Ein Geheimtipp: Im August findet dort alljährlich das PIFF (Prague Independent Film Festival) statt.
Rumhängen
Den rumhängenden Sigmund Freud kann man im Gassengewirr schon mal übersehen. Dabei befindet er sich doch direkt in der Innenstadt. Da ich nicht ständig gen Himmel schaue, habe ich ein bisschen gebraucht, dieses besondere Kunstwerk zu finden.
Embryo
Und gleich nebenan, aber nicht minder schwer zu finden: Der Embryo. Der ist an der Ecke des Divadlo na zábradlí Theaters zu finden. In der Nacht ists dann wohl leichter: Der Embryo leuchtet.
Babys an der Moldau
Wer die Babys vom Fernsehturm noch einmal in voller Größe bewundern und anfassen möchte, der schaut auf dem Weg zum Kafka Museum einfach im Kampa Park vorbei. Aber lasst euch nicht schockieren von den Gesichtern der Babys…
Kleiner Tipp: Ich bin nicht den kürzesten Weg über die Karlsbrücke gefahren. Schneller und leichter kommt man über die südlicher gelegene Brücke most Legii, da hier nur wenige Fußgänger unterwegs sind.
Pissende Männer
Weiter gehts in den Innenhof des Franz Kafka Museums. Dort stehen zwei Männer, auf einer Insel, die der Landkarte von Tschechien nachempfunden ist und pissen 🙂 Das faszinierende dabei ist, dass sich die Hüften bewegen und die beiden pullern Buchstaben in den Brunnen (auf Tschechien). Angeblich kann man eine Nachricht an die nebenstehende Nummer senden und das Geschriebene soll dann auf die Karte uriniert werden. Vor lauter Touristen habe ich aber keine Nummer gefunden. Es war schon schwer genug ein Foto ohne Personen im Hintergrund zu schießen.
Quo vadis? – Wo gehst du hin?
Die Prager Quo vadis? Statue ist eine Replik. Der Trabant mit vier Füßen steht original in Leipzig im Zeitgeschichtlichen Forum, dem Museum für die Nachkriegsgeschichte und die friedliche Revolution. Die Prager Statue befindet sich im Garten der Deutschen Botschaft. Um den zu finden, muss man einmal um die Botschaft herumfahren und kann dann durch Gitterstäbe auf das Kunstwerk und die schöne Außenfassade der Botschaft blicken.
Geschichtlich hat die Botschaft eine entscheidende Rolle gespielt, als sich 1989 Flüchtlinge der DDR hier versteckt hatten und Hans-Dietrich Genscher den wohl berühmtesten nicht zu Ende gesprochenen Satz sprach („Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…“).
Brown-Nosing – die Braun-Nasen
So… last but not least: Das coolste Objekt Černýs versteckt sich meiner Meinung nach in der Galerie Futura.
Von der deutschen Botschaft wollte ich nicht wieder zurück zur Moldau und dann zur Galerie radeln, sondern bin einmal komplett über den Berg… drüber, am Kloster vorbei gestrampelt. Oben angekommen konnte ich allerdings einen wunderschönen Blick auf Prag genießen.
Blick vom Kloster auf die Stadt
An der Galerie angekommen dachte ich erst: Na toll, jetzt bin ich falsch. Von außen sieht es wie ein stinknormales Wohnhaus aus. Der Eintritt ist zwar frei, doch um den zu bekommen, muss man erstmal klingeln. Im Hinterhof verstecken sich dann die Brown-Nosing Statuen.
Klettert man hoch, kann man mal seine Nase komplett in die Statue stecken. Im Inneren: Zwei tschechische Politiker, die sich gegenseitig füttern. Dazu läuft „We are the Champions“ von Queen.
Černýs eigene Bar
Wer am Abend noch nicht genug hat vom Meister, sollte Černýs eigene non-profit Kunstgalerie besuchen. Dort gibt es neben den verschiedensten Bands auch Ausstellungen zu sehen. Im Sommer findet ein Sommerkino statt. Hier gehts zu Webseite.
Wahnsinn- ein begehbarer Po! Hoho.
ich stöbere mich gerade durch diesen herrlichen blog, der wunderschön gamacht ist!
🙂
[…] you can read it in German here and use Google translate at the end of the […]